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Spritze statt Mathe: Warum sich Schüler impfen lassen

Aachener Nachrichten, 17.12.2021:

Impfarzt Dr. Sandeep Nimade, der zusammen mit einem mobilen Impfteam an die Realschule Ratheim
gekommen ist, verpasst einem Schüler die Corona-Impfung. Insgesamt 35 Schüler und 75 Lehrer
zweier Schulen ließen sich bei der Aktion impfen. Foto: Nicola Gottfroh
Hückelhoven-Ratheim Ein mobiles Impfteam verabreicht Corona-Vakzine an der Realschule in
Ratheim. Warum sich die Schüler in der Schule impfen lassen und was ihre Gründe sind.
Mats kommt gerade ein bisschen ins Schwitzen im Klassenraum der Realschule Ratheim. Das passiert
ihm sonst nur vor einer Mathe-Klassenarbeit. Die erwartet den Zwölfjährigen allerdings nicht.
Stattdessen lässt er sich vom Impfarzt Dr. Sandeep Nimade, der zusammen mit einem mobilen
Impfteam an die Schule gekommen ist, die Corona-Impfung verpassen. „Ich bin vor kurzem erst zwölf
geworden und habe echt lange drauf gewartet, mich endlich impfen zu dürfen. Dann kann ich Oma
wieder mit einem besseren Gefühl besuchen“, sagt er. Einen Termin beim Arzt hat er eigentlich schon
für Ende Dezember. „Aber vor Weihnachten und dann direkt an der Schule – das ist noch besser“,
meint er.
Gerade allerdings sieht sein Gesicht so aus, als wäre ihm nach Weihnachten dann doch lieber. Und
weil sein voller Name nicht in der Zeitung erscheint, gibt er auch zähneknirschend zu: „Hab ein
bisschen Angst. Spritzen, die kann ich nicht ausstehen.“ Aber noch mehr als Spritzen hasse er Corona,
darum beißt er nun die Zähne zusammen.
Organisiert hat die Impfaktion mit dem niederschwelligen Impfangebot für seine Schüler Schulleiter
Sven Hagen. Die Idee, so sagt er, sei längere Zeit durch seinen Kopf gewandert. Den Stein des
Anstoßes gab jedoch Schülersprecherin Charlotte Ponzen. Sie hatte das Gespräch mit dem Schulleiter
gesucht, weil im Unterricht auch das Thema Impfung zur Sprache kam. „Und was ich dort von einigen

meiner Mitschüler gehört habe, hat mich entsetzt und schockiert“, sagt sie. „Viele Schüler waren
einfach extrem verunsichert, weil gerade auch in den Sozialen Netzwerken viele
Verschwörungstheorien und Fake-Infos zu Nebenwirkungen und Unfruchtbarkeit umgehen“, erklärt
die 15-Jährige. „Auch wenn nicht alle daran glauben, fühlen sie sich dennoch verunsichert und haben
sich noch nicht zu einer Impfung entschlossen“, sagt die Schülersprecherin.
Ein Aufklärungstag für die Schüler der höheren Klassen war deshalb ihre erste Idee. „Einem solchen
Tag erteilte das Gesundheitsamt auf Anfrage der Schule aber aufgrund der hohen Arbeitsbelastung in
der vierten Welle der Pandemie eine Absage“, erinnert sich Schulleiter Sven Hagen. Die in diesem
Moment geborene Idee, die Schüler selbst aufzuklären und stattdessen ein mobiles Impfteam an die
Realschule kommen zu lassen, um den Schülern ein niederschwelliges Angebot zu bieten, stieß beim
Gesundheitsamt auf offene Ohren.
Bislang, so sagt er, habe er noch keine negative Resonanz auf die Aktion erhalten. Viele Eltern hätten
sich stattdessen persönlich gemeldet und mitgeteilt, dass sie die Aktion toll fänden, ihre Kinder aber
bereits das Vakzin bekommen hätten. Sicher ist er sich trotzdem, dass die Aktion bei so manchem
Skeptiker, der davon hört, kontrovers diskutiert werden dürfte. „Doch in dieser Pandemie ist Impfen
nicht mehr ausschließlich Privatsache. Das Impfen ist zu einem gesellschaftlichen Thema geworden.
Und die Aufgabe der Schule ist es auch, gesellschaftliche Themen aufzugreifen“, erklärt Hagen.
Mats sitzt inzwischen vor Dr. Nimade und hat seinen Ärmel hochgekrempelt. Glücklich sieht der
Sechstklässler nicht aus, während er beobachtet, wie Dr. Nimade die Spritze fertig macht. Wenige
Sekunden später ist alles vorbei. Der Arzt hat den Impfstoff verabreicht, Mats hat kaum etwas gemerkt
und strahlt nun wieder. „Geschafft. Und das noch vor Weihnachten“, sagt er und wedelt mit dem
gelben Impfbuch. Er selbst fühle sich nun einfach sicherer, wenn er mit der Familie zusammen ist, sagt
er.
Insgesamt 35 Schülerinnen und Schüler haben an sich jenem Tag in der Realschule das Vakzin gegen
das Coronavirus spritzen lassen, zudem haben 25 Lehrer der Realschule sich den „Booster“ verpassen
lassen. Und auch die Lehrer der benachbarten Gesamtschule wurden eingeladen. 50 von ihnen haben
das Angebot zur dritten Impfung angenommen.
„Je mehr Schüler und Lehrer geimpft sind, umso sicherer wird das Schulleben. Das macht einen
weiteren Lockdown an Schulen dann auch unwahrscheinlicher“, sagt Hagen. „Wenn die Schulen
geschlossen werden, dann bringt das eine hohe psychische Belastung für die Schüler mit sich – denn
Bildung gehört einfach in die Schule“, macht er klar.
Zu den 35 frisch geimpften Schülern gehört auch Julia. Sie ist im Oktober erst zwölf geworden.
„Meine Geschwister sind schon geimpft. Ich lasse mich impfen, damit ich keine Probleme mehr mit
Quarantäne oder Lockdown habe. Das ist mein Teil, den ich für die Normalität leiste“, sagt sie. Für
ihre 15-jährige Mitschülerin Lara geht es vor allem um die persönliche Freiheit. „Ich werde bald 16,
und dann gelten für mich auch andere Regeln. Ich möchte meine Freiheit behalten und mit etwas
Glück zum ersten Mal in meinem Leben in eine Disko gehen“, sagt sie.
Denise (14), Schülerin der achten Klasse, erklärt dagegen, dass es schon das zweite Schuljahr sei, das
unter Pandemiebedingungen stehe. Und dass genau das sie nervt. Mehrfach hatte sie schon Kontakt zu
infizierten Mitschülern und konnte deshalb tagelang nicht zur Schule. „Ich habe es satt. Ich möchte
jetzt einfach dazu beitragen, dass die Schulen weiterhin offenbleiben. Zwar sind Ferien cool. Aber
Schule zu Hause ist einfach großer Mist – ich will das nicht mehr“, sagt sie.
Viele ihrer Klassenkameraden seien inzwischen geimpft. Sie habe zuvor mal genauer nachgefragt,
denn der eigene Impfstatus sei eigentlich kein Thema unter den Jugendlichen, über das auf dem
Schulhof gesprochen wird. „Aber auch Freundinnen von mir, die nicht geimpft sind, bleiben meine
Freundinnen. Und ich kann verstehen, wenn jemand mehr Angst vor der Nadel als vor Corona hat“,
sagt sie.